Verwaltungsrecht [29.03.2023]
Hecke muss trotz Schonzeit geschnitten werden
Rückschnitt bei behördlicher Anordnung während der Schonzeit möglich
Das Verwaltungsgericht Gießen lehnte den Antrag eines Anwohners einer Gemeinde im Wetteraukreis ab, der sich gegen eine Verpflichtung zum Rückschnitt seiner Hecke wandte.
Das Grundstück des Antragstellers ist mit einer über 40 Jahre alten Hecke an der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Verkehrsraum hin bepflanzt. Der dortige Bürgersteig hat eine maximale Breite von 1,10 Metern. Dem Antragsteller wurde Anfang Februar 2023 von der Antragsgegnerin aufgegeben, die Hecke innerhalb eines Monats bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden. Sollte er dieser Anordnung nicht nachkommen, werde der Rückschnitt auf seine Kosten durch die Gemeinde veranlasst. Der Antragsteller trägt im Eilrechtsschutzverfahren unter anderem vor, er habe im Jahr 2021 bereits probehalber einen Rückschnitt der Hecke vorgenommen und sie sei dadurch bis heute stark beschädigt. Bei einem Rückschnitt auf der gesamten Länge werde die Hecke eingehen und nicht mehr etwa als Nistplatz für Vögel zur Verfügung stehen. Der Antragsteller ist zudem der Ansicht, dass die Hecke keine Gefahr für Leib und Leben darstelle.
Rückschnitt dient Verkehrssicherheit
Das Verwaltungsgericht Gießen lehnte den Eilantrag ab. Nach Einschätzung des Gerichts ist die gemeindliche Anordnung rechtmäßig. Der Antragsteller sei straßenrechtlich dazu verpflichtet, den auf den öffentlichen Verkehrsraum ragenden Bewuchs zu beseitigen. Im Hinblick auf die Verkehrssicherheit sei hervorzuheben, dass der Bürgersteig mit einer maximalen Breite von 1,10 Metern bereits ohne Beeinträchtigung durch die Hecke sehr schmal sei.
Schonzeit steht Rückschnitt nicht entgegen
Weiterhin sei die Aufforderung zum Rückschnitt auch nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Antragsteller etwas rechtlich Unmögliches auferlegt werde. Zwar gilt für den Rückschnitt von Hecken und anderen Gehölzen in der Zeit von März bis September, dass grundsätzlich nur schonende Form- und Pflegeschnitte erlaubt sind. Dieses naturschutzrechtliche Rückschnittverbot sehe selbst jedoch als Ausnahmen vor, dass die Maßnahme behördlich angeordnet ist oder der Verkehrssicherheit dient. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema: Keine Unmöglichkeit einer behördlichen Rückschnittverpflichtung wegen Schonzeit (Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil - Au 8 K 22.130 -)
Verwaltungsgericht Gießen, ra-online (pm/ab)
Familienrecht [29.03.2023]
Nach Tod der Kindesmutter entfällt das Erfordernis ihrer Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung
Kein unbedingter Vorrang der biologischen Wahrheit
Nach dem Tod der Kindesmutter entfällt das nach § 1595 Abs. 1 BGB grundsätzliche Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Vaterschaftsanerkennung. Es genügt die Zustimmung des Kindesvaters und des Kindes. Bei der Abstammung komme es nicht zwingend auf die biologische Wahrheit an. Dies hat das Kammergericht Berlin entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2015 wollte ein Mann in Berlin die Vaterschaft zu einer Frau anerkennen. Die Frau war damit einverstanden. Jedoch konnte ihre Mutter nicht mehr der Vaterschaftsanerkennung zustimmen, da sie im Jahr 1982 verstorben war. Das Standesamt sah sich aufgrund dessen außer Stande den Mann als Vater der Frau in das Geburtenregister einzutragen. Sowohl der Mann als auch die Frau schalteten daraufhin das Amtsgericht Schöneberg ein. Dieses wies das Standesamt an, die Vaterschaftsanerkennung zu akzeptieren. Dagegen richtete sich die Beschwerde der standesamtlichen Aufsichtsbehörde.
Zustimmung der verstorbenen Kindesmutter nicht erforderlich
Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Die Zustimmung der verstorbenen Kindesmutter sei nicht erforderlich. Mit ihrem Tod sei das Zustimmungserfordernis aus § 1595 Abs. 1 BGB entfallen. Das Kind habe in der Regel ein schutzwürdiges Interesse daran, zeitnah und effizient einen Vater zu erhalten.
Kein unbedingter Vorrang der biologischen Wahrheit
Bei der Abstammung räume das Gesetz der biologischen Wahrheit keinen unbedingten Vorrang ein, so das Kammergericht. Dies ergebe sich daraus, dass auch im Falle einer Vaterschaftsanerkennung mit Zustimmung der Mutter weder die biologische Vaterschaft noch die Motive der Mutter für ihre Zustimmung geprüft werden.
Vorinstanz: Amtsgericht Berlin-Schöneberg, Beschluss v. 01.09.2016 - 71a II 364/16 -
Gleichlautende Entscheidung: Keine Vaterschaftsanerkennung nach Versterben der Kindesmutter vor Erteilung ihrer Zustimmung (Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss - 1 W 67/22 -)
Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)
Verwaltungsrecht [29.03.2023]
Exmatrikulation wegen Chat-Austausches während Online-Klausur
VG hat weist die dagegen gerichtete Klage ab
Wer sich mit zahlreichen anderen Prüflingen über eine Messenger-Chat-Gruppe während der gesamten Bearbeitungszeit einer Online-Prüfung intensiv austauscht, kann dafür wegen schwerwiegender Täuschung exmatrikuliert werden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.
Die Klägerin war Studentin im Bachelorstudiengang "Öffentliche Verwaltung" und schrieb im Juli 2021 eine dreistündige Online-Klausur. Dem Dozenten und Prüfer wurden nach der Korrektur dieser Klausur Screenshots von einem Chat-Verlauf zugespielt, in dem sich zahlreiche Prüfungsteilnehmer - darunter die Klägerin - zu Themen der Klausur während der Klausurbearbeitung austauschten. Die Hochschule leitete gegen Mitglieder der Chat-Gruppe ein Prüfungsverfahren wegen des Verdachts der Täuschung ein. Die Klägerin wurde wegen der besonderen Schwere der Täuschung exmatrikuliert.
VG: Wertung nicht zu beanstanden
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Prüfungsordnung sehe die Exmatrikulation vor, wenn ein Prüfungsausschuss - wie hier geschehen - die besondere Schwere einer Täuschung feststelle. Diese Wertung sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe sich in der Chat-Gruppe mit einer Vielzahl von Mitprüflingen über die gesamte Bearbeitungszeit der Prüfung ausgetauscht, Antworten auf Fragen von Kommilitonen mitgelesen, Fragen gestellt und selbst Stellung bezogen; sie habe auch die Möglichkeit gehabt, Screenshots von Antworten bezüglich des Multiple-Choice-Teils der Klausur einzusehen.
Tatsächlicher Vorteil durch Chat-Austausch irrelevant
Es komme nicht darauf an, ob die Stellungnahmen und Antworten tatsächlich als Hilfe für die Klausurbearbeitung geeignet und ob sie inhaltlich zutreffend seien. Irrelevant sei auch, ob die Chat-Gruppe ursprünglich von der Hochschule eingerichtet worden sei, denn die Prüflinge seien selbst verantwortlich dafür, dass sie die Prüfung ohne unerlaubte Hilfe ablegten. Nachdem es bei Online-Prüfungen zu einer Vielzahl von Täuschungen komme, habe die Hochschule bei der Wahl der Sanktion auch die allgemein abschreckende Wirkung der Exmatrikulation berücksichtigen dürfen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Verwaltungsgericht Berlin, ra-online (pm/ab)
Steuerrecht [29.03.2023]
Organschaft im Umsatzsteuerrecht
BFH bestätigt Umsatzsteuerschuldnerschaft des Organträgers
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei die Organschaft betreffenden Entscheidungen zum
einen seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert und zum anderen ein neues Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet. Beide Entscheidungen sind nach Vorabentscheidung durch den EuGH ergangen.
In dem Verfahren –XI R 29/22 sieht der BFH die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft entgegen früheren Zweifeln weiterhin als unionsrechtskonform an. Die vom EuGH hierfür genannten Bedingungen (Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen) werden gewährleistet, da der BFH schon bisher die Möglichkeit der
Willensdurchsetzung verlangt und die Organgesellschaft nach § 73 der Abgabenordnung für die Umsatzsteuer des Organträgers haftet.
Änderung der Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung
Im Hinblick auf das Kriterium der Willensdurchsetzung ändert der BFH allerdings seine
Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung. Für das Bestehen einer Organschaft ist zwar weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Die finanzielle Eingliederung liegt nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert ist, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellte.
Erneute EuGH-Vorlage zur Nichtsteuerbarkeit sog. Innenumsätze
Mit dem Beschluss vom 26.01.2023 – V R 20/22 (V R 40/19) soll geklärt werden, ob an der
bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sog. Innenumsätze weiter festzuhalten ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren
zweifelhaft geworden ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist. Nach einer vor einhundert Jahren vom Reichsfinanzhof begründeten Rechtsprechung, die später vom Gesetzgeber in das UStG übernommen wurde, unterliegen Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als "unselbständiger" Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergeben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Weitreichende Folgen für nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen
Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z.B. Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im
Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge lassen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründen, so dass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind.
Bundesfinanzhof, ra-online (pm/ab)
Wohneigentumsrecht [29.03.2023]
Wohnungseigentümer steht kein Anspruch auf Zustimmung zur Errichtung eines Balkonkraftwerks zu
Auf Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks kommt es nicht an
Einem Wohnungseigentümer steht kein Anspruch auf Zustimmung zur Errichtung eines Balkonkraftwerks zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob durch die bauliche Maßnahme der optische Gesamteindruck beeinträchtigt wird. Dies hat das Amtsgericht Konstanz entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Mieter einer Wohnung hatte mit Zustimmung der Eigentümer an der Außenseite seines Balkons eine Mini-Solaranlage anbringen lassen. Das Modul war Schwarz, hatte eine Fläche von 168 cm x 100 cm und war an einem Wechselrichter angeschlossen. Auf einer Eigentümerversammlung im Oktober 2022 wurde mehrheitlich ein Beschluss gefasst, wonach das Balkonkraftwerk zu entfernen sei. Dagegen richtete sich die Klage der beiden Wohnungseigentümer.
Kein Anspruch auf Genehmigung zur Mini-Solaranlage
Das Amtsgericht Konstanz entschied gegen die Kläger. Diese haben keinen Anspruch auf Genehmigung der Mini-Solaranlage. Die übrigen Wohnungseigentümer müssen der Errichtung eines Balkonkraftwerks nicht zustimmen. § 20 Abs. 1 WEG enthalte eine sogenannte Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stelle die Montage der Photovoltaikanlage dar, ohne dass es auf einen Eingriff in die Substanz ankomme.
Auf Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks kommt es nicht an
Nach Ansicht des Amtsgerichts komme es nicht darauf an, ob durch die bauliche Maßnahme der optische Gesamteindruck der Wohnanlage beeinträchtigt werde. Ohnehin wäre dies hier der Fall. Die Mini-Solaranlage sei erheblich wahrnehmbar. Es liege eine relevante nicht unerhebliche Beeinträchtigung vor.
Keine entsprechende Anwendung der Regelung zu Ladeboxen
Eine entsprechende Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG, wonach Ladeboxen privilegiert sind, komme nach Auffassung des Amtsgerichts nicht in Betracht. Es fehle insofern an einer planwidrigen Regelungslücke. Rechtspolitische Erwägungen, so überzeugend sie sein mögen, genügen nicht.
Amtsgericht Konstanz, ra-online (vt/rb)
Verwaltungsrecht [28.03.2023]
Polizeianwärter muss Ausbildungsbezüge nicht zurückzahlen
Auflage zur Rückzahlungspflicht durch Entlassung während der Ausbildung nicht anwendbar
Das Verwaltungsgericht Gießen hat der Klage eines Polizeikommissar-Anwärters stattgegeben, von dem das Land Hessen Bezüge in Höhe von rund 25.000 Euro zurückforderte.
Der Kläger befand sich über zweieinhalb Jahre in der Ausbildung bei der Hessischen Polizeiakademie als Beamter auf Widerruf, bevor er entlassen wurde. Anlässlich seiner Einstellung unterzeichnete er unter anderem eine Auflage zur Gewährung seiner Anwärterbezüge mit dem Wortlaut: „Sie dürfen im Anschluss an Ihre Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren aus einem von Ihnen zu vertretenden Grunde aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Das beklagte Land forderte von dem Kläger nach dessen Entlassung insgesamt rund 25.000 Euro zurück. Bei der Rückforderung wurden monatlich rund 380 Euro von den gewährten Anwärterbezügen abgezogen und dem Kläger wurde unter Beachtung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Ratenzahlung von monatlich 50 Euro über eine Laufzeit von knapp 43 Jahren eingeräumt. Der Kläger meint, er habe aufgrund der Entlassung keine Möglichkeit gehabt, die Ausbildung zu beenden. Daher beziehe sich die Rückforderungsvorschrift nicht auf ihn. Er habe außerdem in der Ausbildung auch Gegenleistungen an den Dienstherren erbracht. Zudem stelle die Rückforderung für ihn eine unzumutbare Härte dar.
VG: Kläger ist nicht „im Anschluss“ an seine Ausbildung ausgeschieden
Nach der Urteilsbegründung des Gerichts steht das Ausscheiden des Klägers aus dem öffentlichen Dienst nicht in Widerspruch zu der genannten Auflage, sodass kein Anspruch auf die Rückforderung bestehe. Der Kläger sei nicht „im Anschluss“ an seine Ausbildung ausgeschieden, sondern noch während der Ausbildung. Die Auflage könne auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Rückzahlungspflicht auch dann eintrete, wenn die Ausbildung vorzeitig ohne einen Abschluss beendet werde. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen eines Monats die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.
Verwaltungsgericht Gießen, ra-online (pm/ab)
Mietrecht [28.03.2023]
Erstattungsfähigkeit von Detektivkosten des Mieters zwecks Prüfung des behaupteten Eigenbedarfs des Vermieters
Erforderlich ist Vorliegen von Ermittlungsberichten und Rechnungen
Beauftragt ein Mieter einen Detektiv, um den behaupteten Eigenbedarf des Vermieters zu prüfen, sind die dadurch entstandenen Kosten grundsätzlich erstattungsfähig. Voraussetzung ist aber, dass Ermittlungsberichte und Rechnungen vorgelegt werden. Dies hat das Landgericht Berlin entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall beanspruchte eine Wohnungsmieterin im Rahmen eines Räumungsprozesses vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg die Erstattung von Detektivkosten in Höhe von ca. 1.600 €. Dier Mieterin wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt. Anschließend wurde sie auf Räumung verklagt. Da die Mieterin Zweifel am Vorliegen des Eigenbedarfs hatte, beauftragte sie einen Detektiv. Das Amtsgericht verneinte einen Erstattungsanspruch. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Mieterin.
Grundsätzlicher Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten
Das Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Grundsätzlich seien Detektivkosten erstattungsfähig, wenn sie sich, gemessen an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien und der Bedeutung des Streitgegenstands, in vernünftigen Grenzen halten und prozessbezogen sind. Dies sei hier zwar der Fall gewesen. Insbesondere sei die Beauftragung des Detektivs sachbezogen gewesen, da dessen Vernehmung als Zeuge den Ausgang des Rechtsstreits beeinflusst habe.
Erforderlichkeit der Vorlage von Ermittlungsberichten und Rechnungen
Die Erstattungsfähigkeit der Detektivkosten scheide aus Sicht des Landgerichts aber aus, da es an der Vorlage eines Ermittlungsberichts und einer detaillierten Rechnung fehle. In der Rechnung müssen die erbrachten Leistungen im Einzelnen beschrieben und die dafür aufgewendeten Stunden vermerkt werden. Daran habe es hier gefehlt.
Vorinstanz: Amtsgericht Berlin-Charlottenburg , Beschluss v. 07.10.2022 - 206 C 215/20 -
Landgericht Berlin, ra-online (zt/WuM 2023, 109/rb)
Familienrecht [28.03.2023]
Keine Vaterschaftsanerkennung nach Versterben der Kindesmutter vor Erteilung ihrer Zustimmung
Möglichkeit des gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens
Eine Vaterschaftsanerkennung ist nicht mehr möglich nachdem die Kindesmutter verstorben ist bevor sie ihre Zustimmung zur Anerkennung erteilt hat. Weiterhin möglich bleibt aber das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Oktober 2021 erkannte ein Mann mittels notarieller Urkunde die Vaterschaft zu einer 58-jährigen Frau an. Diese hatte der Anerkennung zugestimmt, jedoch fehlte die Zustimmung der Kindesmutter. Diese war nämlich bereits im Jahr 2004 verstorben. Das Amtsgericht Schweinfurt lehnte deshalb die Anerkennung der Vaterschaft ab. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Betroffenen.
Unmöglichkeit der Vaterschaftsanerkennung
Das Oberlandesgericht Bamberg bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Nach dem Tod der Kindesmutter komme eine Vaterschaftsanerkennung nicht mehr in Betracht. Denn das Zustimmungserfordernis des § 1595 Abs. 1 BGB bleibe über den Tod der Mutter hinaus. Die Betroffenen können aber ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren einleiten.
Zustimmung des Kindes allein nicht ausreichend
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sei die Zustimmung des Kindes allein nicht ausreichend. Denn dies biete keine gleichwertige Gewähr für die Richtigkeit der Anerkennung, da das Kind keine vergleichbare Kenntnis von seiner Abstammung habe. Wegen der weitreichenden Konsequenzen der Vaterschaftsanerkennung seien nach dem Tod der Mutter hohe Anforderungen an den Nachweis der Vaterschaft zu stellen, die weder im Anerkennungsverfahren vor dem Jugendamt noch im standesamtlichen Verfahren im erforderlichen Umfang gewürdigt werden können.
Vorinstanz: Amtsgericht Schweinfurt, Beschluss v. 01.12.2022 - 5 UR III 14/22 -
Gleichlautende Entscheidung: Nach Tod der Kindesmutter entfällt das Erfordernis ihrer Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung (Kammergericht Berlin, Beschluss - 1 W 483/16 -)
Oberlandesgericht Bamberg, ra-online (vt/rb)
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